#StattTwitter. Notizen und Gedanken zu Nachrichten und allem anderen aus der dritten Januarwoche. Neueste Beiträge oben.
Sonntag, 19.1.2010
Gesichtserkennung II Unten hatte ich das Thema bereits angerissen, hier die neueren Entwicklungen: Die NYT hat eine Gesichtsabgleich-Software eines Startups entdeckt, das angeblich bereits von Hunderten US-Sicherheitsbehörden verwendet wird. Google, Facebook etc. könnten so etwas natürlich auch bauen, kennen aber die ethischen Implikationen. Jetzt baut es halt ein Startup mit wenig Skrupel und auch zweifelhaften Erkennungsvektoren. Unterdessen hat die EU-Kommission ihr Whitepaper zur KI-Strategie geleakt, dort ist ein drei- bis fünfjähriges Moratorium für Gesichtserkennung im öffentlichen Raum vorgesehen. #
Zettelkasten Wissensmanagement kommt hier ja regelmäßig vor. Deshalb der Verweis auf Roam Research (via), das im Moment auf Product Hunt und sonstwo sehr abgefeiert wird. Offenbar vor allem, weil es dort recht einfach ist, Verknüpfungen zu setzen und dann auf einer Oberfläche zu sehen. Im Moment gibt es nur eine Webversion, wenn die Desktop-Variante fertig ist, wird es wohl ein Abo-Modell für 30 Dollar pro Monat. Das ist viel Geld. Ich probiere es demnächst mal aus und berichte, allerdings ist für mich im Zettelkastenkontext Disziplin der entscheidende Faktor. #
VW Exec: Level 4 Self-Driver May Be as Good as It Gets Die Social-Media-Diskussion über dieses Thema wird natürlich religiös und auch entlang „Aber VW ist doch ein Autobauer, da ist Level 4 (vollautomatisiertes Fahren) vielleicht realistisch. Für Software-Firmen ist Level 5 (vollautonomes Fahren, Fahrer wird zum Passagier) selbstredend erreichbar.“ Nunja, erstmal würde ich sagen, dass Level 4 ein gutes Ziel ist, aber ich bin bei dem Thema auch bekenntnislos, im Religionssinne. #
Freitag, 17.1.2010
Langsames Internet: Ist dieser Mann an allem schuld? Die Überschrift nervt, klar, und der Artikel von 2018 ist insofern unterkomplex, als Glasfaser in den 1980ern heute gar nicht mehr funktionieren würde und das nicht aus dem Text hervorgeht (vgl. Opal-Netz aus den Neunzigern, das nur ISDN-fähig war). Aber der Rückblick ist interessant – Schwarz-Schilling (um ihn geht es) merkt an, dass er vor allem die Bedeutung der Verlegung von Leerrohren unterschätzt hat, die ja beim Glasfaser-Ausbau zentral und teuer sind. Die Frage wäre, ob diese Leerrohre bis heute gehalten hätten. Hinterher ist man immer schlauer, das wird auch fürs aktuell diskutierte Trenching/“Micro-Trenching“ gelten. #
Organspende – Doppelte Widerspruchslösung (Lauterbach, Spahn) Ich hätte die Debatte gerne verfolgt, war aber selber im Einsatz. Gestern Abend habe ich dann mit Interesse nachgelesen, wie die mir bekannten Abgeordneten abgestimmt haben. Wie erfrischend es in diesem routinierten Betrieb Bundestag wirkt, wenn die Meinungsbildung jenseits der Lager stattfindet.
Gadgets for Life on a Miserable Planet „After two days of walking the aisles at CES, tech companies’ visions of the future felt hardly more generous or optimistic than those of the hotel magnates running the casinos in which the convention is held every year.“
Nehmt Social Media endlich ernst An diesem Plädoyer schätze ich vor allem den Hinweis, das Social-Media- und Community-Arbeiter mehr Wertschätzung verdienen. Tatsächlich ist das alles komplex und gerade im Bereich Social Media völlig anders, als noch vor zehn Jahren.
Playlist für 2020 Neue Songs, die ich sammle – wird wie jedes Jahr ständig ergänzt (am Ende sind es in der Regel 300-350 Songs). Hierhin, um der Playlist auf Spotify zu folgen.
Hauptstadtfuchs
Donnerstag, 16.1.2010
Mein Kommentar zur geplanten Überarbeitung des NetzDG (MP3). Und der Beitrag dazu (MP3).
Vor, während oder nach der Apokalypse. Wo stehen wir heute? Lyrisches Feature zur Klimakrise, feat. Bruno Latour u.v.m.
Der Meister der kurzen Sätze wird 80 Nette Müntefering-Würdigung im DLF.
Am Mittwochmorgen wurden an meinem Bürgerbüro Einschusslöcher bemerkt. Eine Büroscheibe mit meinem Konterfei weist mehrere Einschusslöcher auf. Die Polizei und der Staatsschutz ermitteln. pic.twitter.com/NyGXlVQK8Q
— Dr. Karamba Diaby (@KarambaDiaby) 15. Januar 2020
Was für ein Land wir sind und sein werden, wird sich auch daran zeigen, ob wir uns an solche Niedertracht gewöhnen. Sie irgendwann als Preis für die Demokratie abtun. Oder ob wir uns dem Faschismus des 21. Jahrhunderts, denn nichts anderes symbolisiert diese Todesdrohung, entgegenstellen. „Nein, ich habe keine Angst“, sagt Karamba Diaby. Dieser vorbildhaften Haltung sollten wir folgen. #
Mittwoch, 15.1.2010
Linksfraktion diskutiert über Klimapolitik (MP3) Mein Beitrag aus den Informationen am Morgen (Radio Edit).
Annäherung statt Abgrenzung – Neues Netzwerk China-Brücke Sehr interessant, ich bin auf die Hintergründe gespannt.
Two Popes, and One Big Furor After Benedict Weighs in on Priestly Celibacy „His vow to remain hidden seemed a guarantee that he would keep to his refurbished Vatican convent and stay out of Francis’ way. But Benedict turns out to be bad at hiding. He has repeatedly chimed in throughout Francis’ pontificate.“
Facial recognition could take over, one „convenience“ at a time Gesichtserkennung wird in zwei bis drei Jahren auch im westlichen Konsumenten-Mainstream angekommen sein, prognostiziert ein Vertreter der Unterhaltungsfirma Konami. Und bezeichnet Gesichter bereits als „QR-Codes“. Wir schlittern da gerade in eine neue Technologie, die via Unterhaltungselektronik auch für Anwendungen im Sicherheitsbereich – also Überwachung – hoffähig gemacht. Dort gibt es keine Grenzen durch die DSGVO, wie sie für Privatunternehmen herrschen. Die Frage ist, ob wir rechtzeitig ein Bewusstsein für die Auswirkungen entwickeln. #
#111 White Noise Drew Austin (empfehlenswerter Newsletter btw) über seine erste Airpod-Erfahrung, vor allem die Fähigkeit, den Umgebungslärm sanft zu dimmen. Über unseren Drang, immer weiter weg von der eigentlichen Maschine (dem Computer) zu sein, ohne vom Netzwerk getrennt zu werden. Und die Folgen dieser neuen Art, unsere Umgebung wahrzunehmen. Zitat: „Der Stadtplaner in mir muss zähneknirschend die Möglichkeit eingestehen, dass wir vielleicht aufgeben werden, irgendwelche Gemeingüter herzustellen oder zu bewahren – und stattdessen unseren Einfallsreichtum für Werkzeuge verwenden, die uns immer ausgeklügelter unsere personalisierten Realitäten gestalten lassen.“ #
Planet Mitte
Lars Eidinger hat für die Fashion Week eine Aldi-Tüte aus Rindsleder (550 Euro) designt. Ja, eine Aldi-Tüte. So sah es gestern vor der Vernissage aus, als wir zufällig vorbeikamen. Drinnen durften natürlich die umgekippten Einkaufswagen als Dekoration nicht fehlen. Eidinger habe ich nicht gesehen, vielleicht war er im Hinterzimmer, um Geld zu zählen.
Dienstag, 14.1.2010
Stiftung Datenschutz vor dem Aus Andere sind tiefer drin im Thema, ich habe die Entwicklung nur am Rande verfolgt bzw. nachgelesen. Was sich aufdrängt, ist das Bild eines an unterschiedlichsten Ecken fehlerhaften Projekts: Schon vor dem Start geplante Kompetenzen gestrichen, bei Niedrigzinsumfeld als Stiftung ohne ausreichende Finanzierung aufgesetzt, durch Koalitionswechsel schon fast abgewickelt und für überflüssig befunden, wegen der schlechten Ausstattung unsichtbar, wegen der Unsichtbarkeit letztlich angreif- und trotz anderslautender Beteuerungen politisch verzichtbar. #
Terminhinweis
EINLADUNG!! Den #Politikpodcast gibt es live und in Farbe und mit Euch am 06.02.2020 um 19 h beim Podcastfestival in #Berlin #dlfnovapcf in der Urania. @dlfnova Mit @nirtak @kopfzeiler @panajotaki @ostwestkonflikt Tickets hier 👉https://t.co/FRPobEKBnL
— Das Hauptstadtstudio (@DLF_Berlin) January 13, 2020
Heldchen der Arbeit (€) Robert Pausch mit einem sehr guten Aufriss zum Zustand der FDP, in natürlich immer die Frage mitschwingt, was politischer Liberalismus in Deutschland gerade ist. Die häufig geäußerte Kritik, Lindner pflege eine Form des Paläoliberalismus, hat sicher seine Berechtigung. Lindner würde die FDP wohl als Partei des „Common Sense“ bezeichnen, Pausch verändert die Perspektive und nennt es eine „Partei für Modernisierungszweifler“. #
Roger Scruton, R.I.P. Roger Scruton war ein streitbarer Geist (gelinde gesagt). Aber einer, der Menschen zum Denken gebracht hat. Er wird fehlen in einer Zeit, in der der Konservatismus allzu oft reaktionären Reflexen nachgibt, statt nachzudenken. Michael Brendan Daugherty hat in seinem Nachruf eine lyrische Definition von Konservatismus versteckt: „[Konservatismus] ist der Versuch, ein Zuhause in dieser Welt zu erhalten oder wiederzufinden. Einen Ort des Trosts, ein heiliges Irgendwo, das uns mit den Toten, den noch nicht Geborenen, und mit unseren Nachbarn mittels Liebe, Erinnerung und Opferbereitschaft verbindet. Ein Ort, der uns gehört und in uns eine Sehnsucht nach einem echten Zuhause weckt, das niemals durch Stürme, Krieg, Vernachlässigung zerstört werden kann oder durch das Vordringen außerstädtischer Entwickler, die unsere Heime mit Parkplätzen und Panera Bread [eine Restaurantkette, joha] ersetzen wollen. Wir geben alles, um die Freiheit zu schützen, den Anstand, die Kultur, damit unsere Kinder dieses Irgendwo als Ort übernehmen, der von meinem Vater für mich bereitet wurde“
Nicht schwer zu erraten, dass der Autor Amerikaner irischer Abstammung ist. #
Generation Willy (€) Eine im Essay von Gernot Erler, das es hier auch kostenlos als Hörversion gibt, macht mich nachdenklich: Als Erler erzählt, wie er mit anderen Sozis in das Umland von Freiburg fährt, um bei den Schwarzwälder Bauern und Winzern für Willy Brandts Ostpolitik zu werben. Und nicht selten vor Hunden fliehen müssen. Diese Form von parteipolitischem Engagement ist heute die Ausnahme, und der Zustand der Parteiendemokratie hängt auch damit zusammen, dass meine und die folgenden Generationen dieses Engagement als anachronistisch betrachteten. #
Montag, 13.1.2010
Linke und CDU gehen in Thüringen aufeinander zu Ob man es jetzt Projektregierung oder sonstwie nennt: Ein schwarz-dunkelrotes Bündnis, auch nur projektbezogen, wäre ein historischer Fehler. Einerseits, weil dann die Verweigerung gegenüber der AfD in der Ost-CDU deutlich schwerer zu vermitteln wäre. Und zweitens, weil gerade jetzt mehr statt weniger Unterscheidbarkeit der Parteien nötig ist. Wenn links und rechts keine Probleme miteinander haben, verfängt das Narrativ „es geht nur um die Macht und Posten“. Beide Parteien würden sich damit mittelfristig sehr schaden. #
Facebook das Netzwerk Dave Winer drüben mit der Kritik, dass wir vor lauter „Facebook die Firma“ nicht „Facebook das Netzwerk“ sehen und es entsprechend wenig Berichterstattung darüber in seiner Eigenschaft als weltgrößter Kulturraum gibt. Außer Hatespeech, würde ich im deutschen Kontext ergänzen.#
Mad Men: Trump’s Perilous Approach to Dictators Podcast des New Yorker, der unter anderem die (außen-)politische Prägung Trump durch die Geiselnahme von Teheran 1979 herausarbeitet. Und der seine Vorliebe für Autokraten auch im Kontext „Amtsweitergabe an den Nachwuchs“ thematisiert. Unabhängig vom Wahlausgang 2020 bin ich mir sicher, dass 2024 Donald Trump Jr. antritt und sein Vater, je nach Gesundheitszustand, Wahlkampf für ihn machen wird. Sich vorzustellen, wie Trump Senior wiedergewählt wird und dann im Amt für eine Erbfolge in den Wahlkampf zieht, ist ziemlich gruselig. #
Das gute, alte System Jost Kaiser über politische Bonner-Republik-Nostalgie. Leider am Ende wieder der alte Gesang von „wie infantil ist unsere Debattenwelt heute“. Im Rückblick finde ich weiterhin die Strategie der Kohl-CDU sehr interessant bzw. erstaunlich simpel: Es muss der großen Mehrheit der Bürger ausreichend gut gehen, damit der soziale Friede nicht gefährdet ist. Dazu noch ein bisschen Kulturkampf, fertig ist die politische Ausrichtung. Wir denken beim Neoliberalismus entsprechend an Thatcher und Reagan, nicht an Kohl. Die großen Sozialreformen und die Senkung der Unternehmenssteuer kamen dann unter Schröder. #
Abgebildet: Marcel Breuers Wassily-Sessel von 1925, anlässlich adäquaten Bauhaus-Einführung in Jacobin, die noch einmal alle Widersprüche zum Vorschein bringt.#