Meine erste Urlaubswoche seit langsam. Im routinierten Rhythmus: Am Anfang der Woche habe ich noch Pläne für einen ganzen Bücherstapel, den ich lesen möchte. Neue Hobbys scheinen auf mich zu warten. Lang überlegte Projekte rücken plötzlich nahe an die Realisierung. Mitte der Woche dann meldet sich der unerledigte Orgakram in Gedächtnis und Gewissen, der mich dann recht zügig wie ein Vollzeit-Job auslastet und am Ende der Woche rufe ich hektisch zehn Minuten vor Schließung beim Finanzamt an, um irgendwas zu panisch klären.
Aber wir sind ja noch in der ersten Wochenhälfte.
Was ich genieße: Mehr Zeit zum Nachdenken. Ich übertrage gerade derzeit Notizen seit 2017 in ein digital-verknüpfbares Format (eines dieser oben beschriebenen Projekte) und lerne dabei wieder, längere Gedankengänge zu entwickeln. Im (beruflichen) Alltag geht das erstaunlicherweise oft verloren, zu viel Info-Input und -Output. Zu viel berufliches Social Media wahrscheinlich. Vielleicht auch die Tatsache, dass ich mich zu den Füchsen zähle, nicht zu den Igeln.
Was die Angelegenheit für mich persönlich komplex und interessant macht, aber in einem auf Igel aufgebauten System allgegenwärtige Zukunftsängste hervorruft.
Was ich definitiv genieße: Raus aus dem Nachrichten- und Twitter-Strom. Gerade mit Twitter bin ich gerade, jenseits beruflicher Pflichten, mehr oder weniger durch. Wieder einmal. Dieses Essay hier, das ich 2017 geschrieben habe (und das so lieblos bebildert wurde, wie es nur ein “Newsdesk” kann), hat sich gut gehalten. Glaube ich zumindest. Politik-Twitter ist weitestgehend zu einem Wettbewerb geworden, Menschen in unterschiedliche Kategorien von Aufgeklärtheit einzuteilen, dabei halbironisch-überlegen (im Idealfall snarky) zu erscheinen und Likes aus dem eigenen Stamm abzugreifen. Der letzte Halbsatz gilt über viele Twitter-Genres hinweg: Es ist ein Basar, auf dem wir Verkäufer sind. Unsere Handelsware sind manchmal Ideen, in der Regel aber suchen wir Abnehmer für unsere (Wunsch-)Persönlichkeit. Gezahlt wird in Retweets, Likes, Anerkennung, Zugehörigkeit. Das alles macht mich nicht glücklich: Nicht als Teilnehmer, nicht als Beobachter.
Die Idee also, ganz optimistisch aus der ersten Wochenhälfte heraus gedacht: Von dieser Idee wegkommen, dass es etwas mitzuteilen gibt. Dieses faszinierende Gefühl Anfang der Zehnerjahre (“Das könnte ich ja twittern”) loszuwerden und nicht zurückzublicken. Das wird natürlich auch irgendwelche Folgen für dieses Blog haben. Aber in einer Welt von fast unendlichem Content bei begrenzter Aufmerksamkeit erscheint es mir gesund, sich zu beschränken.
Hach, was für ein wunderbarer Beitrag. Gerade der erste Absatz fühlt sich sehr vertraut an.
Bei mir führt das dazu, dass die Vorfreude auf den Urlaub sich des öfteren geschmeidiger anfühlt als der Urlaub dann selbst.
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