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Roe

Als Ruth Bader Ginsburg damals starb, twitterte ich sinngemäß so etwas wie „Das war es (für die US-Demokratie)“. Und ich bin überzeugt, dass ihre Weigerung, während der Obama-Jahre vom Supreme Court zurückzutreten (und damit eine Nominierung ihrer Nachfolge durch Trump zu ermöglichen), ein wachsender Schatten über ihrem Vermächtnis sein wird.

Aber das nur am Rande. Warum ich das schreibe: Der Supreme Court kippt im Juni die Abtreibungsregeln. Louisiana hat als Reaktion bereits ein Gesetz geplant*, das Abtreibung wie Mord behandelt. Selbst die Pille danach dürfte dort schwer zu bekommen sein. Ähnliche Regeln wird es in anderen konservativen Bundesstaaten geben.

Die Radikalisierung der Richterschaft durch die konservative Federalist Society (und unterstützt von GOP-Politikern, besonders den Präsidenten) hat also ein wichtiges Zwischenziel erreicht. „Originalismus“, also die wörtliche Auslegung der Verfassung, macht da noch viel mehr möglich – weil das einfach ein Blankoscheck für eine Auslegung nach eigenem Gusto ist. Abtreibung steht nicht in der Verfassung? Klar, stehen ja nicht einmal Frauen drin. Wahlkampfspenden in Millionenhöhe stehen drin? Natürlich nicht, aber für die konservative Supreme-Court-Mehrheit genügt das „Recht auf freie Meinungsäußerung“, um davon das Prinzip „Geldspenden für politische Zwecke sind eine Meinungsäußerung und dürfen nicht begrenzt werden“ abzuleiten. Keine weiteren Fragen.

Das alles ist natürlich zynisch, zynisch, zynisch. Und schlimm für diejenigen, deren Verhalten jetzt kriminalisiert wird, die unter schwierigen Umständen Kinder bekommen müssen, die sie nicht wollen, oder die gesundheitlichen Risiken ausgesetzt werden.

Um meine Position noch einmal klarer zu machen: Ich bin grundsätzlich kein Anhänger der mit Roe vs. Wade einhergehenden Freiheit, bis ungefähr zum Ende des 6. Monats** Schwangerschaft unabhängig von den Umständen Abtreibungen zu erlauben. Der deutsche Weg zeigt (obwohl man über das Beratungsgespräch streiten kann), dass es eben auch politische Kompromisse gibt, die gangbar sind. Vielleicht gab es irgendwann einmal eine Möglichkeit, so einen Kompromiss auch in den USA gesetzlich zu verankern. Durch die starke Einbindung der christlichen Rechten seit Reagan ist das natürlich schwer vorstellbar, aber die Demokraten wähnten sich eben mit der Freigabe schlicht am Ziel (und übersahen gerne, dass das Urteil auch Schwächen hatte).

Aber wenn die Institutionen ins Wanken geraten, gibt es mit der Zeit keinen festen Grund mehr. Das ist eine schmerzhafte Lehre für Institutionalisten, wie sie die Demokratische Partei prägen. „Wählt uns noch heftiger“ funktioniert weder als Appell, noch als Strategie, wie Alex Pareene schreibt. Es ist eine Sackgasse, an deren anderem Ende allerdings ebenfalls eine Sackgasse wartet – die Übernahme der anti-institutionellen Strategie der Republikaner.

*Korrektur: Das Gesetz wird am 12. Mai 2022 beraten.

** korrigiert

Ein Gedanke zu „Roe“

    Paul sagt:

    Der einzige wirkliche Ausweg aus den Sackgassen der Institutionalisten wären institutionelle Reformen. Dies wird die republikanische Partei mit allen Mitteln bekämpfen.

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