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Magischer Realismus

Der kolumbianische Schriftsteller Ramon Illán Bacca in der fantastischen „Oral Biography of Gabriel García Márquez“:

„Hier an der Küste hörst du so viele Sachen, die irgendwie wie magischer Realismus klingen, aber ein Teil der Kultur sind. Zum Beispiel erzähle ich dir jetzt mal eine Anekdote, die auch in meinem Roman vorkommt.

Professor Dario Hernandez ging nach Brüssel, um Klavier zu studieren, so wie der Rest der wohlhabenden Leute von Santa Marta. Er spielte vor Königin Astrid.

Er kam 1931 oder 1932 zurück. Natürlich fragten sie ihn im Santa Marta Club, der gerade eröffnet hatte, ob er etwas spielen könnte. Also spielte er Clair de lune. Sie fragten ihn dann, ob er etwas anderes spielen könnte, also spielte er Chopins La Polonnaise. Dann spielte er noch den Liebestraum von Liszt. „Also das hast du dort gelernt? Weißt du nicht, wie man ‚Puya, puyards‘ spielt?“ – ein Lied aus der Gegend.

Dario fühlte sich sehr beleidigt, knallte das Klavier zu und sagte: „Diese Stadt wird mich nie mehr auch nur eine einzige Note spielen hören!“ Er wurde mehr als 90 Jahre alt. Als das passierte, war er dreißig. Er lebte weitere sechzig Jahre in einem Haus, das er mit zwei Tanten teilte. Er befestigte Baumwolle an den Klaviersaiten, so dass das einzige, was die Leute hören konnten, das tak-tak-tak war, wenn er jeden Morgen übte. Wenn das kein magischer Realismus ist, was dann?“

 

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