Mit ChatGPT zu kommunizieren bedeutet für mich kein Vergnügen. Wenn man dem System keine Stilvorgaben macht, liefert es eine Mischung aus ultrakondensierten Informationen und Allgemeinplätzen, die in der Summe einem technischen Handbuch gleichen. Weltwissen, ausgestanzt.
Das schreibe ich natürlich in dem Bewusstsein, dass Worte mit Bedeutung und Sätze mit inhärenter Ästhetik im Zeitalter der Content-Inflation generell selten sind. Das Web ist schon lange für Google und Schlagwort-Suchen optimiert. Textbasiertes Social Media, einst durchaus fruchtbarer Boden für das Aperçu, ist zu formelhafter Cliquen-Gefälligkeit und ritueller Flamewar-Rhetorik erstarrt. Die Produktion von Social-Media-Kultur findet längst über Video oder Meme-Resonanzräume statt.
Dem Journalismus wiederum fehlt Zeit, zeitgemäße Inspiration und nicht selten auch der Anspruch, sprachlich “schön” und inhaltlich tief zu sein. Gegenwärtige Sachbücher – und immer wieder auch Belletristik – leiden dagegen unter dem Problem, eine einzige These oder eine Handvoll Gedanken auf 50.000 Wörter ausdehnen zu müssen. Und auch dieser Newsletter gehört bei genauerer Betrachtung zur stetig brodelnden Content-Suppe, in der kluge Gedanken und präzise Texte untergehen.
Nun gibt es noch eine andere Entwicklung: Laut aktueller IGLU-Studie fehlt es einem Viertel der Grundschüler und -schülerinnen hierzulande an grundsätzlichen Lesefähigkeiten – also überhaupt das Werkzeug, in einem gelesenen Satz selbständig Zusammenhänge zu erkennen und herzustellen. Der Anteil der deutschen Grundschüler mit massiven Leseschwächen ist seit Beginn der IGLU-Studie stetig gewachsen.
Mehr und mehr austauschbarer Text, aber weniger Verständnis für geschriebene Sprache – ich weiß noch nicht, was sich daraus ableiten lässt. Aber als (trotz aller Digitalprägung) Kind des Gutenberg-Universums bereiten mir solche Entwicklungen durchaus größere Bauchschmerzen.
Dieser Text ist auch im Kuhnletter erschienen.